Sonderausstellung 2023 | HYPERInflation 1923. Als jedermann im Gelde schwamm

Unsere Sonderausstellung beschäftigt sich mit einer Zeit, die sich tief in das Bewusstsein vieler Büger*innen eingebrannt hat. Fast jeder von uns hat schon Erzählungen über groteske Situationen gehört, die im Spätsommer und Herbst des Jahres 1923 passiert sind. Männer, die ihren Wochenlohn in Wäschekörben oder Koffern nachhause bringen. Frauen, die mit Geldscheinen den Ofen anheizen oder Familien, die ganze Zimmer mit Banknoten tapezieren.

Aber seit wann gab es denn überhaupt Papiergeld? In unserer Zeit, in der möglichst kontaktlos bezahlt werden soll, können wir uns kaum noch vorstellen, dass bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Münzen die vorherrschenden Zahlungsmittel waren. Mittlerweile ist sogar absehbar, dass die zahlreichen Chipkarten in unseren Geldbeuteln bald ausgedient haben, weil man nur noch das Smartphone an einen Scanner halten muss. Die Altdorfer Ausstellung möchte Sie in eine Epoche entführen, in der sich ähnlich drastische Umwälzungen im Alltag der Menschen abgespielt haben.

Solides Wachstum

Im Zuge der Industrialisierung wuchs die Bevölkerung des Deutschen Reiches rapide. Trotz der schnellen Vervielfachung der Wirtschaftskraft in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. vermehrte sich die umlaufende Geldmenge kaum. Das Bargeld hatte sich zwischen 1876 und 1914 gerade einmal verdoppelt. Bemerkenswert ist dabei ein konstanter Anteil von Münzen mit 52 bis 65 % an der Summe aller Zahlungsmittel. Das sollte sich in der Folgezeit grundlegend verändern!

Die große Katastrophe – der Erste Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg kostete Millionen von Menschenleben, verursachte bei vielen Überlebenden gravierende körperliche und psychische Schäden, zerstörte ganze Landstriche und prägte die politischen Entwicklungen der folgenden Jahrzehnte. Die Entmachtung der meisten Monarchien Europas bleibt im Vergleich zu den zahllosen menschlichen Tragödien nur eine Randnotiz. Die Wurzeln der Hyperinflation in Deutschland reichen bis an den Beginn des Ersten Weltkriegs zurück. Damals wurde beschlossen, dass die umlaufende Geldmenge nicht mehr mit realen Goldreserven gedeckt sein musste. Zur Finanzierung der horrenden Kriegskosten wurde zudem zusätzliches Geld gedruckt. Das ist aber einer der Hauptgründe für Inflation! Im Jahr 1918 hatte sich die Bargeldmenge in Deutschland bereits verfünffacht.

Auf der 1-Reichsmark-Münze von 1924 ist die Kaiserkrone über dem Adler verschwunden.

Prekäre Ausgangslage

Die junge Weimarer Republik hatte wahrlich keine besonderen Vorschusslorbeeren. Die Polarisierung zwischen extrem linken und rechten Gesinnungen in der Bevölkerung und bei den Abgeordneten war eklatant. Wie zerbrechlich das politische Gefüge war, verdeutlicht zudem die Tatsache, dass von Februar 1919 bis Dezember 1924 sage und schreibe elf Regierungen an der Macht waren. Zusätzlich zu den inneren Spannungen, wurden immer wieder Reparationsforderungen in Milliardenhöhe an das Deutsche Reich gestellt. In diesem Lichte wurde von Politikern und Wirtschaftsexperten die Entwertung der Reichsmark billigend in Kauf genommen.

Schon 1922 kostete ein Liter Milch 204 Reichsmark.

Rauchende Druckerpressen

Als Maßnahme des passiven Widerstands gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 streikten bis auf Weiteres Hunderttausende von Arbeitern. Was dem Fass jedoch den Boden ausschlug, war die Tatsache, dass Berlin die Löhne der Streikenden über Monate mit eigens gedruckten Banknoten weiterzahlte. Allein in der Woche vom 16. bis 22. September 1923 mussten dafür 3.448 (sprich: dreitausendvierhundert und achtundvierzig) Billionen Reichsmark produziert werden. Am Höhepunkt der Hyperinflation im Oktober und November 1923 waren über 30 Papierfabriken in Vollzeit mit der Papierherstellung beschäftigt und neben der Reichsdruckerei 140 Druckereien im Einsatz.

Im Herbst 1923 musste die Altdorfer Schule dann 25 Billionen Reichsmark für Kohle ausgeben!

Notgeld

Das war aber noch nicht alles! Schon im Sommer 1922 kam die Reichsbank kaum mehr mit dem Druck der Banknoten hinterher. Aufgrund der Knappheit an Zahlungsmitteln wurde es deshalb gestattet, dass Kreise, Städte und private Firmen auf eigene Faust Geld druckten. Auch wenn der Landkreis Landshut in der Zeit der Hyperinflation landwirtschaftlich geprägt war, so gab es doch genügend Angestellte und Arbeiter bei Firmen oder Kommunen, die regulären Lohn bezogen. Für diese Menschen war es ein Leben von der Hand in den Mund, da die Preise zuletzt täglich stiegen, die Löhne aber in der Regel wöchentlich bezahlt und angepasst wurden. Am Höhepunkt im November 1923 wird die umlaufende Papiergeldmenge auf 400.338.326.350.700.000.000 Reichsmark geschätzt (sprich: 400 Trillionen).

Die Landshuter Papierwerke druckten Gutscheine, um ihre Mitarbeiter bezahlen zu können.

Die Lösung

Am 15. Oktober 1923 wurde endlich eine neue staatliche Bank gegründet. Diese sogenannte Rentenbank erhielt ihren Namen nicht etwa, weil sie für die Altersversorgung der Bürger zuständig gewesen wäre. Diese Bank brachte eine neue, auf handfeste Werte wie Industrie und Immobilien bezogene Währung heraus. Ab dem 15. November 1923 wurde die sogenannte Rentenmark offiziell eingeführt und gleichzeitig stellte die Reichsbank den Druck neuer Banknoten ein. Und wie durch ein Wunder war die Hyperinflation gestoppt.

Im Gegensatz zum Inflationsgeld sind heute sehr viel weniger Zahlungsmittel der Zeit danach erhalten. Hier ein seltenes 2-Rentenpfennig-Stück des Jahres 1924 aus der Ausstellung.

Sind wir auf dem gleichen Weg?

Weltweit kam es bis heute über 50-mal zu Episoden mit Hyperinflation. Die häufigsten Begleiterscheinungen sind Krieg, hohe Staatsverschuldung, drastische Veränderung der Staatsform, zügellose Vermehrung der umlaufenden Bargeldmenge und staatliche Kontrolle über die jeweilige Staatsbank. Der letzte Punkt stellt heute kein Problem mehr dar, weil die wichtigsten Notenbanken unabhängig und in der Lage sind, eine beginnende Lohn-Preis-Spirale zu kontrollieren. Bedenkliche Entwicklungen finden momentan aber auf dem Immobilienmarkt und durch die Erweiterung des Kapitalmarktes mit Crypto-Währungen statt. Zudem neigen – nicht erst seit Corona – immer mehr Menschen dazu, Kleinigkeiten online zu bestellen und zu bezahlen. Das erhöht die Frequenz von Transaktionen, was ebenfalls eine Triebkraft für Inflation ist. Nicht zuletzt bei den diesjährigen Tarifverhandlungen war für die Arbeitnehmer deutlich spürbar, dass die Lohnanpassungen nur einen Teil der aktuellen Teuerung abfangen können.